Balduin V. von Flandern, (der Fromme oder Balduin von Lille ; * um 1012 in Arras; † 1. September 1067 in Lille) war Graf von Flandern von 1036 bis 1067. Als Ehemann von Adela von Frankreich (1009/1014–1079), der Tochter des Königs Robert II. war er der Onkel Königs Philipps I. von Frankreich. Seine Eltern waren Balduin IV. und Otgiva von Luxemburg.
Das Wichtigste
Im 11. Jahrhundert war Flandern zum größten Teil Vasall der französischen Königs, zu einem kleinen Teil Vasall des deutschen Kaisers. Unter der Herrschaft des Grafen Balduin V. wurden die Gebiete zwischen dem Fluss Escaut, Dendre und der Markgrafschaft Antwerpen mit Flandern vereinigt. In der Mitte des 11. Jahrhunderts entsprach die Macht des Grafen von Flandern der eines Königs, was ihnen in der Politik Westeuropas einen erheblichen Einfluss sicherte.
Balduin war von 1060 bis 1067 Regent Frankreichs für seinen minderjährigen Neffen Heinrich I..
Balduin und Adela hatten drei Kinder:
- Balduin VI. (1030–1070)
- Mathilde (* um 1032; † 2. November 1083 in Caen), Ehefrau von Wilhelm dem Eroberer
- Robert I. (1033–1093)
- Heinrich von Flandern
Biographie
Der zukünftige Balduin war ein aufsässiger Sohn, der gegen seinen Vater revoltierte. Nach seiner prestigeträchtigen Heirat mit Adele von Frankreich zögerte er nicht, sich an die Spitze der aufständischen flämischen Barone zu stellen und seinen Vater zu verjagen, wurde dann aber durch das Eingreifen des Herzogs Robert I. der Normandie zur Unterwerfung gezwungen. Nach dem Tod seines Vaters wurde er einer der mächtigsten Vasallen Frankreichs.
Er begann einen Krieg gegen Graf Dietrich IV. von Holland, der ihm den Besitz Seelands bestritt, das seinem (Dietrichs) Vater von Kaiser Heinrich II. anvertraut worden sein soll. Balduin bezwang die Friesen und ging aus dem Konflikt um Seeland siegreich hervor. Seeland blieb Lehen Flanderns.
1045 stellte sich Balduin auf die Seite Gottfrieds des Bärtigen bei dessen Kampf gegen Kaiser Heinrich III., der Oberlothringen Gerhard von Elsass und seinem Bruder Albrecht von Elsass gegeben hatte. Wegen seiner Rebellion verlor Balduin gleich die Mark Valenciennes. Im Bündnis mit Graf Dietrich IV. von Holland griff er die Mark Ename an und eroberte auch Antwerpen. Gemeinsam mit Gottfried nahm er sogar der Pfalz zu Nimwegen, wo Albrecht von Elsass bei einem Scharmützel den Tod fand. Der Graf von Flandern unterwarf sich 1056 und nach die Friedesbesprächungen von Andernach (1056 und 1059) bekam er die Mark Ename als Reichslehen (Reichsflandern).
1051 wurde Richilde Witwe, woraufhin Balduin, von der Aussicht angelockt, den Hennegau dem Besitz seiner Familie hinzuzufügen, Richilde entführte, um die Witwe und die Grafschaft seinem ältesten Sohn Balduin zu geben. Lietbert, der Bischof von Cambrai, schleuderte wütend eine Exkommunikation wegen zu enger Blutsverwandtschaft, doch Papst Leo IX. sprach einen Dispens aus und hob einige Jahre später die Sanktion auf. Der älteste Sohn des Grafen von Flandern wurde nun als Balduin I. Graf von Hennegau, wodurch die Vereinigung der beiden Grafschaften in Aussicht stand.
Der Krieg gegen den Kaiser lebte nun wieder auf. Gottfried III., der seinen Sohn Gottfried IV. mit der reichen Erbin der Toskana, Mathilde von Tuszien, verheiratet hatte, rief seinen treuen Verbündeten um Hilfe. Sie eroberten Lüttich, zerstörten Thuin und stießen bis Huy vor. Heinrich III. erwiderte die Angriffe, indem er in Flandern einfiel. Balduin trieb den Widerstand in Arques an, wo er – der Überlieferung nach in drei Nächten – einen Graben ausheben ließ, der bis nach La Bassée reichte. Dieser neue Graben blieb jedoch nutzlos, da Heinrich III. ihn mit Hilfe des früheren Kastellans von Cambrai, Jean de Béthune, überquerte, das Land dahinter plünderte und Tournai eroberte, während Gottfried und Balduin einen Entlastungsangriff gegen Antwerpen versuchten, das von Friedrich von Luxemburg verteidigt wurde (1055)
Der Tod Heinrichs III. im folgenden Jahr stoppte die Auseinandersetzung. Während der Versammlung in Köln (1057) der verwitweten Kaiserin Agnes, der Papstes Viktor II. und des französischen Königs Heinrich I., wurde die Abtretung von Eenam (mit Aalst), der Burg von Gent, das Landes von Waes und der Quatre-Métiers ebenso wie die der fünf seeländischen Inseln an Balduin V. festgeschrieben. Darüber hinaus wurde die Heirat zwischen Richilde von Hennegau und Balduins ältestem Sohn abgesegnet und die Stadt Tournai seiner Herrschaft unterstellt.
Im Jahr 1060 – nach dem Tod seines Schwagers Heinrich I. – wurde er der Vormund des neuen Königs Philipp I. und regierte nach der Wiederverheiratung der Königinmutter Anna von Kiew Frankreich dann allein. Als Regent untersagte er Frankreich, Wilhelm den Eroberer – den Herzog der Normandie – bei dessen Plänen, England zu besetzten, zu unterstützen – er sagte aber die Hilfe Flanderns zu, zumal der zukünftige englische König seine Tochter Mathilde von Flandern geheiratet hatte.
1063 hatte er ein weiteres seiner fünf Kinder, Robert mit Gertrud von Holland verheiratet, wobei er ihm den deutschen Teil Flanderns überließ. Der mächtigste Graf Flanderns wurde im Zentrum des Chors der Kirche Saint-Pierre in Lille begraben – der Stadt, die er zu seiner Hauptstadt gemacht hatte und deren ältestes schriftliches Dokument eine Schenkungsurkunde der Grafen zugunsten jener Kirche ist, durch die er einen Bauernhof bei Flers und zwei Drittel der Einkünfte der Kirche in Annapes übereignet (1066).
Quellen und Bibliographie
- Egon Boshof: Lothringen, Frankreich und das Reich in der Regierungszeit Heinrichs III. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 42, Bonn 1978, S. 63–127.
- Edward Le Glay: Histoire des comtes de Flandern jusqu’à l’avènement de la Maison de Bourgogne. Comptoir des Imprimeurs-unis, Paris MDCCCXLIII (1843).
- Henri Platelle, Denis Clauzel: Histoire des provinces françaises du Nord. 2. Des principautés à l’empire de Charles Quint (900–1519). Westhoek-Editions / Éditions des Beffrois, 1989, ISBN 2-87789-004-X.
- Cécile et José Douxchamps: Nos dynastes médiévaux (éditeur José Douxchamps). Wepion-Namur 1996, ISBN 29600078-1-6.
- Georges-Henri Dumont: Histoire de la Belgique. Histoire/le cri, Bruxelles 1977, ISBN 2-87106-182-3.
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